Herzlich Willkommen am Institut für Geschichtswissenschaften
Das Institut für Geschichtswissenschaften an der Humboldt-Universität ist ein traditionsreicher und lebendiger Ort historischer Forschung und Lehre. Seine Professorinnen und Professoren befassen sich mit den hellen und dunklen Seiten der europäischen Geschichte in den Zeiten der Antike, des Mittelalters und der Moderne, mit den globalen Verflechtungen von Nationalstaaten und Imperien, dem Alltag von Menschen im Wandel der Zeit. Lehre und Forschung leben von wissenschaftlicher Neugier und Offenheit. Diesem Grundsatz fühlt sich das Institut besonders verpflichtet.
Nachruf auf Ludolf Herbst (1943-2024)
Am 17. Dezember 2024 ist der Historiker Ludolf Herbst im Alter von 81 Jahren gestorben. Er war von 1991 bis 2008 Professor für Zeitgeschichte am Institut für Geschichtswissenschaften. Damit gehörte er zur ersten Kohorte neuberufener Kolleginnen und Kollegen, die nach den Umbrüchen von 1989/90 und der Wiedervereinigung die Erforschung und Lehre der Geschichte an der Humboldt-Universität neu ausrichteten und daran mitwirkten, das Institut zu einem der renommiertesten historischen Institute des Landes zu machen.
Ludolf Herbst wurde 1943 in der niedersächsischen Ortschaft Wülfinghausen geboren. Er studierte Geschichte, Germanistik, Philosophie und Politische Wissenschaften in Göttingen und wurde dort 1974 mit einer von Reinhard Wittram betreuten Arbeit promoviert. In seiner Dissertation analysierte er die Verfolgung der Ersten Internationalen durch die europäischen Großmächte in den 1870er Jahren und berührte dabei auch die Geschichte politischen Asyls. Danach wandte er sich der Geschichte des Nationalsozialismus zu, die ihn sein Leben lang beschäftigte. 1982 habilitierte sich Ludolf Herbst in Göttingen mit der Arbeit „Der Totale Krieg und die Ordnung der Wirtschaft“. Als einer der ersten befragte er die Archivbestände deutscher Industrieunternehmen und untersuchte deren Rolle in der nationalsozialistischen Diktatur, insbesondere mit Blick auf Erwartungen und Planungen für die wirtschaftliche Ordnung nach dem Weltkrieg. Spektakulär wirkten seine damaligen Befunde zu Kontinuitäten im wirtschaftspolitischen Denken innerhalb der Reichsgruppe Industrie in der späten Kriegsphase zum Ordoliberalismus in der Bundesrepublik nach 1945.
1983 wurde Ludolf Herbst zum stellvertretenden Direktor an das Institut für Zeitgeschichte in München berufen. Der von ihm geleitete Forschungsbereich beschäftigte sich insbesondere mit Prozessen der wirtschaftlichen Integration in der Europäischen Gemeinschaft. Seit 1989 erweiterte er, als kommissarischer Direktor amtierend, die Arbeit des Instituts beherzt auf die Geschichte der DDR und des Staatssozialismus in Ost- und Mittelosteuropa. 1991 wurde er an die Humboldt-Universität berufen. Auch dort förderte er weiterhin vielfältige Forschungsarbeiten zur DDR-Geschichte und ermöglichte durch energische Unterstützung einer Reihe ostdeutscher Kolleg*innen die Fortsetzung ihrer akademischen Karriere. 1996/97 fungierte Herbst als Dekan der Philosophischen Fakultät I, 2002-2004 als Direktor des Instituts für Geschichtswissenschaften.
Das zentrale Arbeitsgebiet von Ludolf Herbst blieb die Geschichte der nationalsozialistischen Zeit. 1996 legte er eine vielbeachtete Synthese zur Geschichte Deutschlands 1933-1945 vor, die noch heute als Referenzwerk gelten darf. Nichts weniger als eine additive Gesamtdarstellung, erhob die Arbeit den rassistischen Antisemitismus und den Kriegsgedanken der Nationalsozialisten zu Fluchtlinien unter der Fragestellung, wie ein hochentwickelter Industriestaat wie das nationalsozialistische Deutschland eine derartige massenmörderische und jede Ordnung sprengende Gewalt entfesseln konnte. In einem fulminanten Zeitschriftenaufsatz vertiefte er 1999 diesen Interpretationsansatz, indem er die Potentiale der Chaostheorie für die Analyse der Gewalteskalation des Nationalsozialismus aufzeigte.
Diese theoretische Fundierung der Geschichtswissenschaften nahm für Ludolf Herbst einen zentralen Stellenwert in Forschung und Lehre ein. In beinahe jedem Semester bot er Seminare und Übungen zu theoretisch-methodischen Fragen historischer Forschung an und schulte mehrere Generationen von Studierenden in der streng systematischen und an theoretischen Konzepten orientierten Anlage ihrer Seminar- und Qualifikationsarbeiten. In seinem 2004 erschienenen Buch „Komplexität und Chaos“ zog er die Summe seiner Überlegungen und schlug die Brücke von der konkreten Arbeit der Historiker*innen zu makrotheoretischen Annäherungen an den Verlauf der Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die er als Scheitern im Umgang mit der Komplexität moderner, global vernetzter Gesellschaften deutete.
In seinen letzten Jahren am Institut für Geschichtswissenschaften leitete Herbst ein großangelegtes Forschungsprojekt zur Geschichte der Commerzbank im Nationalsozialismus, aus dem etliche Dissertationen hervorgingen. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Beteiligung der Bank an der Verfolgung und Beraubung der jüdischen Bevölkerung, eine Perspektive, in die er erstmals auch konsequent die Erwartungs- und Handlungshorizonte betroffener jüdischer Unternehmen einband. Nach seiner Emeritierung im Jahr 2008 legte Herbst, gegen schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen ankämpfend, noch ein Werk zu „Hitlers Charisma“ vor, in dem er sich gegen eine naive Anwendung des Charisma-Konzepts Max Webers auf den Nationalsozialismus wandte, indem er den Nimbus Hitlers als Führer der NS-Bewegung als bewusst hergestelltes Konstrukt analysierte.
Die von Ludolf Herbst etablierte Konzentration der Zeitgeschichte an der Humboldt-Universität auf die Erforschung des Nationalsozialismus wirkte weit über seine Jahre am IfG hinaus: Seine Professur wurde nach seiner Emeritierung mit der neu formulierten Denomination „Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit einem Schwerpunkt im Nationalsozialismus“ neu ausgeschrieben. Bis heute handelt es sich neben der Frankfurter Professur für die Geschichte und Wirkung des Holocaust um die einzige historische Professur im deutschsprachigen Raum mit einer expliziten Konzentration auf die NS-Zeit.
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