Profil des Lehrstuhls
Das „lange 19. Jahrhundert“ umfasst die Zeit zwischen der Französischen Revolution und dem Ersten Weltkrieg. Als Spezifikum dieser Epoche gilt der „Durchbruch der Moderne“. Wie vielfältig dieser Umbruch verlief und wie schwer es fällt, diese Phänomene auf einen Nenner zu bekommen, verrät der Umstand, dass sich für dieses Jahrhundert keine inhaltliche Bezeichnung hat durchsetzen können.
Insofern ist es Programm des Lehrstuhls, dieser Vielfalt von Wandlungsprozessen gerecht zu werden: im politisch-parlamentarischen, im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und religiös-mentalen Bereich. Ergibt sich der Reiz dieser Epoche doch durch die zahlreichen Spannungen zwischen dem Festhalten am Althergebrachten und Überlieferten einerseits und den (friedlichen und gewalttätigen) Versuchen andererseits, diese Traditionen zu überwinden und durch neue Formen der Legitimierung und Interaktion zu ersetzen.
Diesen Traditionen nachzugehen ist umso wichtiger und interessanter, als hier grundlegende Weichen auch für das 20. Jahrhundert gestellt wurden. Wer also unter anderem die Verführungskraft nationaler Identitätsangebote, die Sprengkraft sozio-ökonomischer Spannungen oder die überdauernde Suche nach religiös-spiritueller Orientierung auch im 20. Jahrhundert verstehen will, ist gut beraten, die Grundlegung dieser Konflikte und Mentalitäten im 19. Jahrhundert zu berücksichtigen.
Mit Blick auf Europa, aber auch die Beziehungen zwischen Europa und Außereuropa, wird in Forschung und Lehre nach dem Entstehen der modernen Ideologien (Liberalismus, Nationalismus, Sozialismus), nach der Geschichte und Eigenart der bürgerlichen Kultur, nach zeitgenössischen Mentalitäten (Religion, Rationalität), aber auch nach Krieg, Gewalt und der Vorgeschichte des Totalitarismus, nach Nationalismus und Kolonialismus gefragt.
Entsprechend den Forschungsschwerpunkten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden in den Veranstaltungen vorzugsweise kulturgeschichtliche mit politischen Fragen und Ansätzen verknüpft. So geht es beispielsweise um die Verbindung von Emotionen und Krieg oder das Verhältnis von Religion und Politik. Regionale Schwerpunkte liegen in der Betrachtung des preußisch-deutschen Raumes und der Iberischen Halbinsel.