Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Geschichtswissenschaften


Neuerscheinungen 2017

 

Wildt, Revolutions and Counter-Revolutions.jpgStefan Rinke, Michael Wildt (Hrsg.)

Revolutions and Counter-Revolutions. 1917 and its Aftermath from a Global Perspective

Campus

Frankfurt am Main, New York 2017

ISBN 9783593507057

1917 war ein bedeutendes Jahr des historischen Umbruchs im Weltmaßstab, in dem der Grundstein für prägende Strukturen des 20. Jahrhunderts gelegt wurde. Den Zeitgenossen waren diese globalen Zusammenhänge bewusst; doch in der auf nationale Belange beschränkten Geschichtswissenschaft spielten sie jahrzehntelang kaum eine Rolle. Dieser Band vereint neue Forschungen, die die transnationalen Verbindungen der unzähligen Aufstände, Rebellionen und Revolutionen sowie der gewaltsamen Reaktionen darauf in den Jahren zwischen 1917 und 1920 in allen Weltteilen aufzeigen.

 

Strauß, Von Mommsen zu Gelzer.jpgSimon Strauß

Von Mommsen zu Gelzer? Die Konzeption römisch-republikanischer Gesellschaft in "Staatsrecht" und "Nobilität"

Historia (Franz Steiner Verlag)

München 2017

ISBN 978-3-515-11851-4

Theodor Mommsen ist eine der Zentralfiguren althistorischer Wissenschaftsgeschichte. Für lange Zeit stand jede Beschäftigung mit Rom in seinem Schatten. 1912 veröffentlichte der junge Schweizer Matthias Gelzer jedoch eine Habilitationsschrift, in der er sich im Namen einer fortschrittlichen "Gesellschaftshistorie" radikal vom "Staatsrechtler" Mommsen absetzte. Gelzers aufmüpfige Polemik bot späteren Forschern wiederum einen willkommenen Anlass, um sich vom gefürchteten Übervater loszusagen. Mit dem Verweis auf Gelzer konnte man sich auf die progressive Seite stellen und Mommsen zu den Akten legen. Simon Strauß stellt dieses Vorgehen nun entschieden in Frage und argumentiert, dass in Mommsens Werk – gerade auch in seinem 1871–1888 erschienenen "Römischen Staatsrecht" – schon viele gesellschaftsgeschichtliche Aspekte behandelt werden. Gelzers Leistungen lassen sich in diesem Licht betrachtet durchaus relativieren. Strauß weckt Zweifel an der Selbstdeutung der althistorischen Forschungsgeschichte und bewertet die Stellung Theodor Mommsens neu.

 

Nippel, Wenn Toren aus der Geschichte falsche Schlüsse ziehen.jpgTheodor Mommsen, Wilfried Nippel (Hrsg.)

Wenn Toren aus der Geschichte falsche Schlüsse ziehen

Dtv

München 2017

ISBN 978-3-423-28143-0

Theodor Mommsen (1817 – 1903) war Mitbegründer der deutschen Altertumswissenschaft und erhielt für sein Werk ›Römische Geschichte‹ 1902 den Nobelpreis für Literatur. Er nahm engagiert am Zeitgeschehen teil, war liberaler Reichstagsabgeordneter und stritt vehement mit Bismarck, auf den das Zitat im Titel des Buches abzielte und das Mommsen eine Beleidigungsklage eintrug. Eine ausführliche Einleitung schildert Leben, Werk und Zeit, jedem Text ist ein erklärender Vorspann beigegeben.

 

Hörath, Asoziale und Berufsverbrecher.jpgJulia Hörath

"Asoziale" und "Berufsverbrecher" in den Konzentrationslagern 1933 bis 1938

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft (Vandenhoeck & Ruprecht)

Göttingen 2017

ISBN 978-3-8353-3002-3

Die Konzentrationslager-Haft von sogenannten »Asozialen« und »Berufsverbrechern« bildet eines der letzten Desiderate der KZ-Forschung, ist doch gerade über die erste Phase ihrer Verfolgung kaum etwas bekannt. Die Studie von Julia Hörath schließt diese Lücke und eröffnet zugleich neue Perspektiven auf die Geschichte der KZ. Indem sie einen weiten Begriff von Konzentrationslager zu Grunde legt, kann sie bislang kaum berücksichtigte Haftstätten in den Blick nehmen. Die Untersuchung zeigt die Schwächen des Stufenmodells, das die Forschungsdebatten bislang dominierte und von scharfen Zäsuren in der Entwicklung der KZ ausgeht. Demgegenüber stärkt Hörath die Argumente der Kontinuitätsthese, nach der alle wesentlichen Funktionen bereits in den frühen KZ angelegt waren. Wie ihre Studie zeigt, setzte schon kurz nach der Machtübergabe eine systematische Verfolgung von »Asozialen« und »Berufsverbrechern« ein. Die KZ-Einweisungen wurden nur punktuell und allenfalls rahmensetzend von den Zentralinstanzen gesteuert, gingen vielmehr in erster Linie auf die Initiative lokaler Akteure zurück. Bevor sich die in der Frühphase gesammelten Erfahrungen im Konzept der »rassischen Generalprävention« verdichteten, prägten verschieden motivierte und konzipierte Spezialpräventionen das Vorgehen, die Hörath in die langen sozialpolitischen Entwicklungslinien des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts einordnet.

 

Nützenadel, Das Reichsarbeitsministerium im Nationalsozialismus.pngAlexander Nützenadel

Das Reichsarbeitsministerium im Nationalsozialismus

Wallstein

Göttingen 2017

ISBN 978-3-8353-3002-3

Die Arbeits- und Sozialpolitik spielte für das ideologische Selbstverständnis der NSDAP als Arbeiterpartei eine zentrale Rolle. Welche Stellung das Reichsarbeitsministerium im Kontext der NS-Herrschaft einnahm, wird seit 2013 im Rahmen eines Forschungsprojekts des Bundesarbeitsministeriums von einer unabhängigen Historikerkommission untersucht.
Im ersten Band der Veröffentlichungen der Kommission werden die Forschungsergebnisse umfassend präsentiert. In den Blick genommen werden neben Behördenstruktur und Personal die Handlungsfelder des Ministeriums, die von der Arbeitsmarkt- und Tarifpolitik über das Sozialversicherungswesen bis zur Wohnungsbau- und Siedlungspolitik reichten. Zugleich wird die Rolle des Ministeriums im Rahmen der Kriegswirtschaft und in den besetzten Gebieten Europas zwischen 1939 und 1945 beleuchtet. Deutlich wird, dass die klassischen Verwaltungsapparate weitaus stärker in das NS-Regime und seine Verbrechen eingebunden waren als lange Zeit vermutet wurde. Die ministerielle Bürokratie kooperierte sogar eng mit den nationalsozialistischen Partei- und Sonderstäben. Damit werden bisherige Erklärungsmodelle, wie das einer »polykratischen« Herrschaft, in Frage gestellt.

 

Buggeln/ Daunton/ Nützenadel, The political economy of public financeMarc Buggeln, Martin Daunton, Alexander Nützenadel (Hrsg.)

The Political Economy of Public Finance. Taxation, State Spending and Debt since the 1970s

Cambridge University Press

Cambridge 2017

ISBN 9781107140127

This volume examines the major trends in public finance in developed capitalist countries since the oil crisis of 1973. That year's oil shock quickly became an economic crisis, putting an end to a period of very high growth rates and an era of easy finance. Tax protests and growing welfare costs often led to rising debt levels. The change to floating exchange rates put more power in the hand of markets, which corresponded with a growing influence of neo-liberal thinking. These developments placed state finances under considerable pressure, and leading scholars here examine how the wealthiest OECD countries responded to these challenges and the consequences for the distribution of wealth between the rich and the poor. As the case studies here make clear, there was no simple 'race to the bottom' in taxation and welfare spending: different countries opted for different solutions that reflected their political and economic structures.

 

Wildt, Volk, Volksgemeinschaft, AfD Michael Wildt

Volk, Volksgemeinschaft, AfD

Hamburger Edition

Hamburg 2017

ISBN 978-3-86854-309-4

»Wir sind das Volk!« Das ist ein mächtiger und anspruchsvoller Satz, vor allem in einer Demokratie, in der das Volk herrscht. »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus« heißt es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
Doch: Wer ist das Volk? Die wahlberechtigten Staatsbürgerinnen und Staatsbürger? Die Demonstranten gegen die Diktatur in Leipzig im Oktober 1989? Die orangefarbenen Massen auf dem Maidan in Kiew, die 2013/14 erfolgreich die Neuwahl des Präsidenten erzwangen? In der langen Geschichte des Volkes wurde stets darum gestritten, wer zu ihm gehörte und wer nicht. Frauen zum Beispiel erhielten in den meisten Staaten erst im 20. Jahrhundert das Wahlrecht. Und was geschieht, wie Sebastian Haffner1933 fragte, wenn das Volk die Demokratie nicht mehr will? Die historisch-politische Intervention von Michael Wildt lotet die Ambivalenzen und Abgründe des politischen Konzepts des Volkes aus sowie die rassistisch-antisemitische Radikalisierung in der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft. Auf dieser Grundlage hinterfragt er die populistischen Äußerungen der AfD, die sich lauthals auf das Volk beruft. Auch hier geht es um verschiedene Volkskonzepte. Die kulturell definierte Ausgrenzung von Minderheiten bei der AfD birgt die Gefahr radikaler Exklusion aus dem »Volk«. Jedoch auch das Beharren darauf, dass Volk demos und nicht ethnos sei, gelangt über die tückische Imagination eines einheitlichen Volkes nicht hinaus. Wäre es nicht stattdessen vielmehr an der Zeit, Hannah Arendts Gedanken aufzugreifen und nicht das Volk, sondern den Menschen und sein Recht, Rechte zu haben, in den Mittelpunkt unseres demokratischen Denkens zu stellen?

 

Brandes/Zierenberg, Praktiken des Kapitalismus Sören Brandes und Malte Zierenberg (Hrsg.)

Praktiken des Kapitalismus

Mittelweg 36 Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung

Jahrgang 26, Heft 1

Hamburg 2017

Mehr Kapitalismus, so scheint es, war nie. Die im Zuge der Finanzkrise entfachten Debatten um die Zukunftsfähigkeit des Kapitalismus haben auch das Interesse an seiner Vergangenheit neuerlich belebt. Dabei ist die Frage, was die kapitalistische Welt im Innersten zusammenhält, heute umstrittener denn je. Angesichts der Vielzahl seiner historischen Ausprägungen fragt es sich, ob es "den" Kapitalismus überhaupt gibt.
Sören Brandes und Malte Zierenberg plädieren daher einleitend für eine konsequente Historisierung des Kapitalismus, die ihren Gegenstand als Teil einer komplexen und veränderlichen sozialen Wirklichkeit rekonstruiert. In Doing Capitalism werben sie dafür, den Kapitalismus praxeologisch als alltäglich erzeugte ökonomisch-soziale Ordnung zu verstehen. [Inhaltsverzeichnis]

 

Metzler/Schumann, Geschlechter(un)ordnungGabriele Metzler und Dirk Schumann (Hrsg.)

Geschlechter(un)Ordnung und Politik in der Weimarer Republik

Dietz Verlag

Bonn 2017

ISBN 978-3-8012-4236-7

Weltkrieg und Revolution konnten die Geschlechterordnung in der Weimarer Republik nicht erschüttern, sondern führten zu vielen kleineren Machtverschiebungen, etwa in den Medien oder im Sport. Daraus entstand eine Unübersichtlichkeit der Geschlechter- und Rollenbilder, die sich darauf auswirkte, wie Forderungen nach »männlicher« Führung und weibliche Partizipationsansprüche in zeitgenössischen Diskursen und Körperpraktiken ausgehandelt wurden.
Welche Wirkungen Erster Weltkrieg und Revolution auf das Verhältnis zwischen den Geschlechtern in der Weimarer Republik hatten, ist in der Forschung umstritten. Noch weniger geklärt ist die Beziehung zwischen Geschlechterordnung und politischer Ordnung. Die Beiträge dieses Bandes sind einem weiten, kulturhistorisch inspirierten Politikbegriff verpflichtet. Sie untersuchen, wie die grundlegende Unsicherheit der Geschlechterordnung auf die Sprache und Praxis des Politischen einwirkte und die neuen Partizipationsansprüche über die Behauptung oder Veränderung »hegemonialer Männlichkeit« entstanden. [Inhaltsverzeichnis]

 

Sabrow/Weiß, Das 20. Jahrhundert vermessenMartin Sabrow und Peter Ulrich Weiß (Hrsg.)

Das 20. Jahrhundert vermessen. Signaturen eines vergangenen Zeitalters

Wallstein Verlag

Göttingen 2017

ISBN 978-3-8353-1878-6

Das 20. Jahrhundert trägt schon jetzt eine Vielzahl schillernder Titel, die seinen weltgeschichtlichen Platz bestimmen sollen: das Katastrophenjahrhundert, das Zeitalter der Extreme, das Jahrhundert der Ideologien, das Amerikanische Jahrhundert. Doch wie plausibel sind solche Etikettierungen im Licht aktueller Forschungen? Gemeinsames Ziel der hier versammelten Beiträge ist es, das je nach Perspektive »kurze« oder »lange« 20. Jahrhundert als eine von Kontinuitäten und Zäsuren durchzogene, aber doch unter gemeinsamen Blickwinkeln erfassbare Epoche zu begreifen.