Humboldt-Universität zu Berlin - Alte Geschichte

Lehre im Sommersemester 2020

Ich biete eine Vorlesung, ein Bachelorseminar, eine Übung und ein Forschungsseminar  an. Details und wichtige organisatorische Hinweise finden sie durch Anklicken der Veranstaltung in der nachstehenden Liste:


51201 Vorlesung Mi 14-16
Geschichte der Römischen Republik von den Gracchen bis Caesar (133 – 44 v. Chr.)

Kommentar:    
Die meist als „späte Republik“ bezeichnete Epoche der römischen Geschichte hat seit dem Beginn moderner Geschichtswissenschaft besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die gescheiterten Agrarreformen der Gracchen, der Kampf zwischen Marius und Sulla, der Sklavenaufstand des Spartacus, Ciceros Konsulat und die catilinarische Verschwörung, der Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius, Caesars Diktatur und seine Ermordung im Senat: „Was Wettkampf großer Persönlichkeiten betrifft,“ so konstatierte der Basler Kulturhistoriker Jacob Burckhardt, „so ist diese Zeit die erste in der Weltgeschichte.“ Aber auch auf der Ebene der Strukturgeschichte handelt es sich um eine außergewöhnliche Epoche. Schon Montesquieu (1734), der mit einem Dekadenz-Narrativ arbeitete, kam zu einem paradoxen Ergebnis: Die Römer seien an ihren eigenen Tugenden zugrunde gegangen. Spätere Autoren deuteten die Veränderungen als „Revolution“ (Theodor Mommsen, Alfred Heuß), als „Verrechtlichung“ der politisch-sozialen Ordnung (Jochen Bleicken) oder als „Krise ohne Alternative“ (Christian Meier). Die Vorlesung geht aus von den strukturellen Bedingungen der „klassischen“ Republik, verfolgt die Grundlinien der spätrepublikanischen Ereignisgeschichte und fragt abschießend nach einer angemessenen Konzeptualisierung des prozessualen Verlaufs, an dessen Ende das römische Kaisertum stand.

Literaturhinweise:
Montesquieu, Größe und Niedergang Roms. Considérations sur les causes de la grandeur des Romains et de leur décadence [1734]. Mit den Randbemerkungen Friedrichs des Großen. Übs. und hg. von Lothar Schuckert, Frankfurt am Main 1980; Heuß, Alfred, Römische Geschichte, 6. Aufl., Paderborn u.a. 1998; Alföldy, Géza, Römische Sozialgeschichte, 4., völlig überarbeitete und aktualisierte Aufl., Stuttgart 2011; Meier, Christian, Res publica amissa. Eine Studie zu Verfassung und Geschichte der späten römischen Republik, 3. Aufl., Frankfurt am Main 1997 (ND 2017); Winterling, Aloys, ‘Krise ohne Alternative’ im Alten Rom, in: Monika Bernett, Wilfried Nippel, Aloys Winterling (Hg.), Christian Meier zur Diskussion. Autorenkolloquium am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld, Stuttgart 2008, 219-239; Walter, Uwe, Politische Ordnung in der römischen Republik, Berlin, Boston 2017.


 

51253 Übung Do 14-16
Systemstrukturen der griechisch-römischen Antike

Kommentar:
Die Systemtheorie Niklas Luhmanns hat nicht nur als eine der anspruchsvollsten und komplexesten Theorien der gegenwärtigen Gesellschaft zu gelten, sie ist zugleich auch für Historiker/innen der  Vormoderne von besonderem Interesse: Aufgrund des universalen Ansatzes werden auch die Spezifika vormoderner Gesellschaften analysiert; historische Verläufe werden im Rahmen einer Theorie soziokultureller Evolution behandelt; schließlich wird in Grundzügen eine Geschichtstheorie entworfen, die die Bedingungen gegenwärtiger Erkenntnis der Vergangenheit reflektiert. In der Übung soll einerseits anhand zentraler Texte eine Einführung in die Systemtheorie versucht werden. Andererseits soll anhand der Beschäftigung mit zentralen sturkturgeschichtlichen Phänomenen der griechischen und römischen Geschichte (städtische Siedlung, gesellschaftliche Schichtung, politische Organisationsstrukturen) gefragt werden, was man in den Blick bekommt (und was möglicherweise aus dem Blick gerät), wenn man systemtheoretische Fragestellungen und Erklärungen zur Analyse und Beschreibung der Antike heranzieht. Teilnahmevoraussetzung ist die Bereitschaft, sich auf die Lektüre schwieriger Texte einzulassen.

Literaturhinweise:
Luhmann, Niklas, Weltzeit und Systemgeschichte. Über Beziehungen zwischen Zeithorizonten und sozialen Strukturen gesellschaftlicher Systeme [1973], in: ders., Soziologische Aufklärung, Bd. 2, Opladen 1975, 103-133; ders., Geschichte als Prozeß und die Theorie sozio-kultureller Evolution [1978], in: ders., Soziologische Aufklärung, Bd. 3, Opladen 1981, 178-197; ders., Die Gesellschaft der Gesellschaft, 2 Bde., Frankfurt am Main 1997; ders., Systemtheorie der Gesellschaft, hg. von Johannes F. K. Schmidt und André Kieserling. Unter Mitarbeit von Christoph Gesigora, Frankfurt am Main 2017; Schmitz, Winfried, Die griechische Gesellschaft. Eine Sozialgeschichte der archaischen und klassischen Zeit, Heidelberg 2014; Alföldy, Géza, Römische Sozialgeschichte, 4., völlig überarbeitete und aktualisierte Aufl., Stuttgart 2011; Mann, Christian, Politische Gleichheit und gesellschaftliche Stratifikation. Die athenische Demokratie aus der Perspektive der Systemtheorie, in: Historische Zeitschrift 286, 2008, 1-35; Grote, Oliver, Die Genese der griechischen Polis als Ausdifferenzierung von Systemen, in: Gymnasium 123, 2016, 467-489; Winterling, Aloys, Die griechisch-römische Antike und die sozio-kulturelle Evolution bei Max Weber und Niklas Luhmann, in: Christian Jaser u.a. (Hg.), Eleganz und Performanz. Von Rednern, Humanisten und Konzilsvätern. Johannes Helmrath zum 65. Geburtstag, Wien u.a. 2018, 81-138.



51295 Forschungseminar Do 18-20
Althistorische Forschungspraxis: Historische Biographie

Kommentar:
Es werden zum einen grundlegende Probleme der Methode und Theorie (alt-)historischer Forschung gemeinsam diskutiert. In diesem Semester wird es um die methodischen Probleme historischer Biographie gehen. Wir werden gemeinsam theoretische Texte zur historischen Biographie lesen und konkrete Beispiele exemplarisch analysieren. Eine der zentralen Fragen wird lauten: (Wie) lässt sich das Problem des psychologischen Anachronismus umgehen? Zum anderen werden die Teilnehmer/innen praktische Fragen und Probleme eigener Abschluss- und Forschungsarbeiten präsentieren und zur Diskussion stellen. Die Veranstaltung richtet sich somit an Doktoranden und Studierende, die sich intensiver mit der griechisch-römischen Antike befasst haben oder befassen wollen und die bereit sind, sich auf komplexere Fragen einzulassen, die bei wissenschaftlicher Selbstbeobachtung in Theorie und Praxis entstehen.

Literaturhinweise:
Christian Meier, Die Faszination des Biographischen, in: Frank Niess (Hg.), Interesse an der Geschichte. Frankfurt a. M., New York 1989, 100–111; Jacques Le Goff, Writing Historical Biography Today, in: Current Sociology 43/2, 1995, S. 11-17; Pierre Bourdieu, Die biographische Illusion, in: ders., Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns, Frankfurt a. M. 1998, 75–83 [dazu: Hannes Schweiger: Das Leben als U-Bahnfahrt. Zu Pierre Bourdieu: „Die biographische Illusion", in: Bernhard Fetz (Hg.), Theorie der Biographie. Grundlagentexte und Kommentar. Berlin 2011, S. 311-316]; Simone Lässig, Die historische Biographie auf neuen Wegen?, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 60, 2009, S. 540-553; Aloys Winterling, Probleme historischer Biographie am Beispiel des Kaisers Caligula, in: Historische Anthropologie 20, 2012, S. 186-199; Ulrich Herbert, Über Nutzen und Nachteil von Biographien in der Geschichtswissenschaft, in: Beate Böckem et al. (Hgg.), Die Biographie – Mode oder Universalie? Zu Geschichte und Konzept einer Gattung in der Kunstgeschichte. Berlin/Boston 2016, S. 3-15; Hans Renders, Binne de Haan, Jonne Harmsma (Hgg.), The Biographical Turn. Lives in History. London 2017; Wolf-Dietrich Bukow, Biographieforschung und Systemtheorie - eine Verhältnisbestimmung, in: Helma Lutz et al. (Hgg.), Handbuch Biographie¬forschung. Wiesbaden 2. korr. Aufl. 2018, S. 75-88.



51221 Bachelorseminar Fr 14-16
Ist die römische Republik untergegangen?

Kommentar:
Die Frage erscheint abwegig. Kann man doch in jedem Handbuch nachlesen, dass „die römische Republik“ irgendwann im späteren ersten Jahrhundert vor Christus endete und dann die römische Kaiserzeit, also eine Monarchie begann. Ein Blick in die Quellen irritiert diese Sicht allerdings: Es zeigt sich, dass res publica nicht „Republik“ bedeutete und dass aus der Sicht der Römer die res publica unter der Herrschaft der Cäsaren fortbestand. Das ist der Ausgangspunkt dieses Bachelorseminars. Seine Ziele sind: 1. den konstitutionalistischen verfassungstheoretischen Diskurs des 19. Jahrhunderts, der der üblichen staatsrechtlichen Periodisierung zugrunde liegt, kritisch zu analysieren; 2. die „Realien“ (Ämter, Institutionen und Verfahren) der politischen Strukturen der späten Republik und der frühen Kaiserzeit zu rekonstruieren; 3. die spezifische „Einbettung“ römischer Politik in die sozialen und kulturellen Bedingungen der aristokratischen Gesellschaft Roms, die „Republik“ und „Kaiserzeit“ gleichermaßen auszeichnete, herauszuarbeiten; sowie 4. vor diesem Hintergrund zu fragen, wie sich der beobachtbare Wandel angemessener beschreiben lässt, wozu das aus der Ethnologie stammende Konzept der Involution heranzuziehen sein wird.

Literaturhinweise:
Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert. Zeitgebundene Fragestellungen und Leitbilder, Berlin 1961; Bleicken, Jochen, Die Verfassung der römischen Republik, 7. Aufl., Paderborn 1995; Meier, Christian, Res publica amissa. Eine Studie zu Verfassung und Geschichte der späten römischen Republik, 3. Aufl., Frankfurt am Main 1997; Rosenstein, Nathan, Morstein-Marx, Robert, A Companion to the Roman Republic, Malden 2006; Walter, Uwe, Politische Ordnung in der römischen Republik, Berlin, Boston 2017; Bleicken, Jochen, Verfassungs- und Sozialgeschichte des römischen Kaiserreiches, 2 Bde., Paderborn, Bd. 1, 4. Aufl., 1995. Bd. 2, 3. Aufl., 1994; Vittinghoff, Friedrich, Kaiser Augustus, 3. Aufl., Göttingen, Zürich 1991; Winterling, Aloys, ‘Staat’, ‘Gesellschaft’ und politische Integration in der römischen Kaiserzeit, in: Klio 83, 2001, 93-112; ders., ‘Krise ohne Alternative’ im Alten Rom, in: Monika Bernett u.a. (Hg.), Christian Meier zur Diskussion. Autorenkolloquium am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld, Stuttgart 2008, 219-239; ders., Monarchie oder Republik? Der römische Prinzipat, in: Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft N.F. 40, 2016, 35-62.