Ausgrenzungsprozesse und Überlebensstrategien. Mittlere und kleine jüdische Gewerbeunternehmen in Frankfurt am Main und Breslau 1929/30 - 1945 (Ingo Loose, Benno Nietzel)
Bearbeiter Breslau: Dr. Ingo Loose, Bearbeiter Frankfurt/Main: Dr. Benno Nietzel
Das Projekt verfolgt das Ziel, auf der Basis der Grunddaten mittlerer und kleiner jüdischer Unternehmen in Frankfurt am Main und Breslau je eine monographische Studie zu beiden Städten zu erstellen, die diese Daten – orientiert an den Leitbegriffen „Ausgrenzungsprozesse“ und „Überlebensstrategien“ – wirtschafts- und gesellschaftsgeschichtlich interpretiert. Die Geschichte jüdischer Unternehmen soll dabei als ein integraler Teil der Geschichte der deutschen Juden seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts erforscht werden.
Der Schwerpunkt liegt auf den mittleren und kleinen Unternehmen, weil die Forschungsdesiderata hier am größten sind. Als Untersuchungsorte sind Frankfurt am Main und Breslau ausgewählt worden, um die neben Berlin größten jüdischen Gemeinden zu erfassen, die einen breiten Querschnitt jüdischen Wirtschaftslebens in Deutschland repräsentieren. Zu Berlin wurde am Lehrstuhl ein paralleles Projekt mit gleicher Fragestellung und Intention bereits begonnen. Der Untersuchungszeitraum umfasst die „dreißiger Jahre“ und die Zeit des Zweiten Weltkrieges und schließt im Falle Frankfurts unter spezifischen Gesichtspunkten auch die unmittelbare Nachkriegszeit ein. Auf diese Weise soll die Fokussierung der Forschung auf die NS-Zeit soweit wie möglich durchbrochen und jüdische Unternehmensgeschichte nicht ausschließlich als Vorgeschichte ihres katastrophischen Endes untersucht werden.
Das Projekt hat den methodischen Anspruch, die makrohistorische mit der mikrohistorischen Ebene zu verzahnen und auf diese Weise auch einen Beitrag zur allgemeinen Geschichte der von den Nationalsozialisten verfolgten Juden in Frankfurt am Main und in Breslau zu leisten. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Firmendaten und ihre Veränderungen Schnittstellenfunktion haben und sich sowohl als Schlüssel für die Mikro- als auch für die Makrogeschichte eignen. Die Fragestellung richtet sich auf den ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Veränderungsdruck, dem jüdische Unternehmen vor und nach 1933 ausgesetzt waren, und auf die Strategien, die jüdische Unternehmer unter diesen Rahmenbedingungen verfolgten bzw. verfolgen konnten. Das Projekt geht von der Hypothese aus, dass jüdische Unternehmer unter Umständen bereits seit der Weltwirtschaftskrise und in jedem Fall seit 1933 um das wirtschaftliche Überleben kämpften. Die Beendigung ihrer Wirtschaftstätigkeit wird auf diese Weise einem längeren Prozess zugeordnet, dessen Rekonstruktion den jüdischen Unternehmer nicht nur als Opfer, sondern auch als aktiv handelnden Unternehmer zeigt.
Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert und lief ab Juli 2007. Die Laufzeit betrug zwei Jahre (Abschluss Juli 2009).