Zur Tagung 40 Jahre Spanische Verfassung von 1978 zwischen Anpassung und Reform des Bewährten (zur Ankündigung) – veranstaltet im Dezember 2018 von Prof. Dr. Birgit Aschmann (Lehrstuhl für Europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts, Humboldt-Universität zu Berlin), Prof. Dr. Christian Waldhoff (Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Finanzrecht, Humboldt-Universität zu Berlin) und der Botschaft von Spanien in Deutschland – ist (nach dem FAZ-Artikel) nun auf H-Soz-Kult ein Tagungsbericht erschienen, den Lea Frese-Renner und Britt Schlünz verfasst haben:
Tagungsbericht: 40 Jahre Spanische Verfassung zwischen Anpassung und Reform des Bewährten, 13.12.2018 – 14.12.2018 Berlin, in: H-Soz-Kult, 04.04.2019, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-8197>.
Ein Auszug:
Am 6. Dezember 1978 stimmten rund 88 Prozent der Spanier/innen in einem Referendum für ihre bis heute gültige demokratische Verfassung und besiegelten damit den Übergang von der Franco-Diktatur zur Demokratie. Die Zustimmungsrate in Katalonien lag mit 90 Prozent sogar noch höher. Nur unter den Basken war die Zurückhaltung relativ groß, fühlten sie sich doch im Verfassungsgebungsprozess nicht hinreichend repräsentiert. Diese friedliche Transition Spaniens galt international lange als Vorbild für demokratischen Wandel.
[1] Doch vier Jahrzehnte später werden zum einen die damals geschlossenen gesellschaftlichen und politischen „Pakte“ kritisiert, weil sie die ehemaligen Machthaber begünstigt hätten. Zum anderen gerät auch die Verfassung selbst zunehmend in die Kritik. Immer nachdrücklicher wird eine Reform gefordert, zumal die spanische Verfassung (im Gegensatz zu den bereits mehr als sechzig Änderungen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland) wegen der hohen verfassungsrechtlichen Hürden bislang nur zwei Mal angepasst worden ist. Das 40-jährige Jubiläum der spanischen Verfassung von 1978 nahmen die Veranstalter/innen der Tagung, Birgit Aschmann und Christian Waldhoff darum zum Anlass, ihre Bedeutung aus der Perspektive der Rechts- und Geschichtswissenschaften neu in den Blick zu nehmen. Eingeladen von der Spanischen Botschaft in Berlin diskutierten deutsche und spanische Historiker/innen und Jurist/innen, um gemeinsam die Entstehung der Verfassung von 1978 zu rekonstruieren, ihren Stellenwert in der spanischen und europäischen Geschichte auszuloten und ihre Errungenschaften, Defizite sowie mögliche Reformoptionen abzuwägen.
In ihrem Einführungsvortrag verortete BIRGIT ASCHMANN (Berlin) die Verfassung von 1978 innerhalb der Geschichte des spanischen Konstitutionalismus. Dabei werde die Verfassung zumeist in die Traditionslinie der „progressiven“ Verfassungen von 1812, 1869 und 1931 gestellt, wobei vor allem die Parallelen mit letzterer unübersehbar seien. Alle ihre Vorläufer aber verband laut Aschmann das Problem ihrer geringen Akzeptanz, hätten sie doch jeweils nur die politischen Vorstellungen
eines der beiden großen politischen Lager ("Konservative"/"Rechte" und "Progressive"/"Linke") zum Ausdruck gebracht. Dagegen zeichne sich die Verfassung von 1978 durch die außergewöhnliche Kompromissbereitschaft aller an der Transition beteiligten politischen und gesellschaftlichen Kräfte aus. Der Wunsch nach Konsens habe allerdings auch zu unklaren Formulierungen in der Verfassung geführt, die die Konflikte lediglich in die Zukunft verlagerten. Dies gelte in besonderer Weise für die Passagen zur territorialen Organisation des Staates, in denen unter anderem das Verhältnis von „Nation“ und „Nationalitäten“ bewusst offen gelassen wurde.
[2] Die seit Beginn des 19. Jahrhunderts latenten Spannungen zwischen dem spanischen Zentralstaat und Katalonien seien dadurch aber nur vorübergehend in den Hintergrund getreten. Heute verweise die Bereitschaft katalanischer Separatisten, sich über die spanische Verfassung hinwegzusetzen, auf ein erhebliches Akzeptanzproblem der Verfassung innerhalb Kataloniens. Ob es auf dem Weg einer Verfassungsreform noch gelingen könne, die separatistisch gesonnenen Katalanen (immerhin rund die Hälfte der Bevölkerung Kataloniens) mit dem spanischen Staat zu versöhnen, sei, so Aschmann, fraglich.
→ Zum gesamten Tagungsbericht auf H-Soz-Kult