Tagungsbericht "Katholische Dunkelräume"
Am 8./9. Oktober 2020 fand in Bonn die Tagung "Katholische Dunkelräume: Die Kirche und der sexuelle Missbrauch" statt, organisiert von Prof. Dr. Birgit Aschmann in Verbindung mit der Kommission für Zeitgeschichte (→ Zur Tagungsübersicht). Auf H-Soz-Kult ist nun der Tagungsbericht erschienen, verfasst von Jan-Martin Zollitsch:
Tagungsbericht: Katholische Dunkelräume: Die Kirche und der sexuelle Missbrauch, 08.10.2020 – 09.10.2020 Bonn, in: H-Soz-Kult, 12.12.2020, <https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-8837>.
Nachfolgend die ersten drei Absätze des Tagungsberichts:
Mit dem Anspruch, „Dunkelräume“ zu erhellen, kamen im Bonner Universitätsclub erstmals Forschende unterschiedlicher Fachgebiete zusammen, um – gemeinsam mit Betroffenen und Kirchenvertretern – über die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche zu diskutieren. Die Tagung wurde per Livestream im Internet übertragen; das Publikum, das so zusätzlich erreicht werden konnte, lag an beiden Tagen konstant zwischen 60 und 70 Personen.
Zehn Jahre nach Bekanntwerden des sexuellen Missbrauchs am Berliner Canisius-Kolleg und zwei Jahre nach der Vorstellung der sogenannten MHG-Studie 2018[1] diente die Konferenz dazu, den bisherigen Erkenntnisstand zur Thematik interdisziplinär zusammenzutragen und kritisch, bisweilen auch selbstkritisch, zu reflektieren. Damit verbunden war das Anliegen, das öffentliche Aufklärungsinteresse in der Frage zu unterstützen und so jene fortgesetzte Verankerung im gesellschaftspolitischen Diskurs zu gewährleisten, um die sich bisher vor allem Betroffene mit ihrem anhaltenden Engagement verdient gemacht haben. In einem engeren Sinne stand außerdem die Frage nach den Potentialen (und Grenzen) einer historiographischen Aufarbeitung auf der Tagesordnung.
So wies die Historikerin BIRGIT ASCHMANN (Berlin) in ihrem Eröffnungsvortrag auf die Dimension der langen Dauer hin. Schließlich würden sich auch für das 19. Jahrhundert Konjunkturen der Skandalisierung und Banalisierung sexuellen Missbrauchs nachzeichnen lassen. Es sei wichtig, das spezifisch katholische „Bedeutungsgewebe“ offenzulegen, in das über Jahrhunderte hinweg auch Praktiken des sexuellen Missbrauchs eingewoben gewesen seien, und die Kultur der Sprach- und Straflosigkeit in der katholischen Kirche in diesem Punkt aufzuklären. Die Einordnung dieser „katholischen Dunkelräume“ in einen breiten Kontext sowie methodische Reflexion seien hierbei unabdingbar. Ein differenzierter emotionshistorischer Ansatz etwa könne helfen, Abhängigkeitsverhältnisse und Erfahrungsmuster hervortreten zu lassen.
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