Nina Kreibig: Zwischen den Welten. Die Kultur- und Sozialgeschichte der Berliner Leichenhäuser (1794-1871) (abgeschlossen)
Laufzeit: 2016-2020
Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts entwickelten sich in Preußen Leichenhäuser als eine innovative Einrichtung im bestehenden Bestattungswesen, die dazu dienen sollte, die Frage zu klären, ob ein vorgeblich toter Mensch tatsächlich verstorben war oder womöglich ins Leben zurückgeholt werden könnte. Die Sorge vor einem möglichen Scheintod resultierte aus dem medizinischen Unvermögen, den Tod zweifelsfrei feststellen zu können. Dabei verfolgten die Leichenhäuser zwei Ziele: die Beobachtung von scheinbar Verstorbenen und deren Wiederbelebung und die Seuchenprävention, wobei der Gebrauch der Institute de facto einen Bruch mit der bisherigen Bestattungspraxis bedeutete. Die Untersuchung beginnt mit der Entstehung der ersten Berliner Einrichtung 1794 und erstreckt sich bis zur Reichsgründung. Dabei konnten insgesamt 29 verwirklichte sowie einige unrealisierte Projekte herausarbeitet werden, die auf den Friedhöfen von evangelischen, katholischen sowie jüdischen Kultusgemeinden eingerichtet worden waren.
Anhand der Berliner Leichenhäuser kann der Verlauf einer Distanzierung der Lebenden von den Toten seit Ende des 18. Jahrhunderts präziser denn zuvor nachgezeichnet werden. Die Einrichtungen können an dieser Stelle als Marker von Prozessen betrachtet werden, die elementar auf unser heutiges Verständnis von Verstorbenen einwirkten.
Die Dissertation basiert zu weiten Teilen auf ungedruckten Quellen aus ortsansässigen Archiven. Da bisherige Untersuchungen mit einem Schwerpunkt auf die Kultur- und Sozialgeschichte der Leichenhäuser fehlen, schließt die Arbeit nicht nur eine Lücke in der Stadt- und Institutionengeschichte Berlins, sondern auch für die Geschichte der preußischen und gesamtdeutschen respektive europäischen Bestattungskulturen.