Humboldt-Universität zu Berlin - Europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts

40 Jahre Spanische Verfassung von 1978 (Dezember 2018)

Vom 13. bis 14. Dezember 2018 fand in der Botschaft Spaniens in Berlin die Tagung "40 Jahre Spanische Verfassung von 1978 zwischen Anpassung und Reform des Bewährten" statt, organisiert von Prof. Dr. Birgit Aschmann, Prof. Dr. Christian Waldhoff und der Botschaft von Spanien.

 

Titel 

40 Jahre Spanische Verfassung von 1978 zwischen Anpassung und Reform des Bewährten 
 

40 Años de la Constitución Española de 1978: Adaptar o reformar lo consolidado

Veranstalter 

  • Prof. Dr. Birgit Aschmann, Lehrstuhl für Europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts, Humboldt-Universität zu Berlin
  • Prof. Dr. Christian Waldhoff, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Finanzrecht, Humboldt-Universität zu Berlin
  • Botschaft von Spanien in Deutschland

 

Ort

  • Spanische Botschaft in Berlin, Lichtensteinallee 1, 10787 Berlin

 

Datum

  • 13. und 14. Dezember 2018

 

Tagungsankündigung

Am 6. Dezember 1978 stimmten die Spanier in einem Referendum über eine Verfassung ab, die den Übergang von der Franco-Diktatur zur Demokratie besiegelte. So wie diese Transition lange Zeit als Vorbild für die Überwindung von Diktaturen in anderen Staaten gesehen wurde, galt auch die Verfassung als positives Beispiel für Möglichkeiten, gesellschaftliche Spaltungen mittels eines Konsenses zu überwinden. Doch vierzig Jahre später stehen beide, die Transition und die Verfassung, vielfach in der Kritik. Gerade die Kompromisse, die damals gefunden wurden, werden in der aktuellen politischen Auseinandersetzung zuweilen als Restbestände des Franquismus angeprangert. Als besondere Belastung haben sich die mehrfach deutbaren Formulierungen herausgestellt, mit denen die Lösung der Nationalitätenfrage vertagt werden sollte. Die jüngsten Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens stellen die Verfassung infrage und tragen dazu bei, den Ruf nach Reformen lauter werden zu lassen.

Verfassung 1978   Einladung   Programm Seite 1

 

Diese Herausforderungen und das Jubiläum laden dazu ein, über Genese, Bedeutung, Entwicklung und Reformmöglichkeiten der Spanischen Verfassung von 1978 nachzudenken. Dafür kommen am 13. und 14. Dezember 2018 in der Spanischen Botschaft in Berlin Historiker_innen und Jurist_innen zusammen, um die Verfassung innerhalb der spanischen Geschichte zu verorten und nach den konkreten Entstehungsbedingungen zu fragen. Zudem soll diese Verfassung im Kontext der europäischen (Verfassungs-)Entwicklung der 1970er Jahre betrachtet und nach den Spezifika von „Transformationsverfassungen“ gefragt werden. Darüber hinaus wird über die Akzeptanz der Spanischen Verfassung innerhalb der spanischen Gesellschaft und die besondere Rolle des Verfassungsgerichts zu diskutieren sein. Abschließend sollen die Notwendigkeit und Möglichkeiten einer Reform der Verfassung ventiliert werden.

 

Die Tagung beabsichtigt, eine Bilanz der Bedeutung der Spanischen Verfassung von 1978 einerseits für die spanische und europäische Verfassungsentwicklung und andererseits für die spanische Politik und Gesellschaft im Kontext der südeuropäischen Zeitgeschichte zu ziehen.

 

Die Vorträge werden auf Deutsch und Spanisch gehalten und simultan übersetzt. 
Eine Anmeldung ist erforderlich. Den Bestimmungen der Botschaft zufolge muss bei der Anmeldung die Passnummer angegeben werden.

 

Tagungsprogramm

Donnerstag, 13.12.2018

Botschafter von Spanien in Berlin: Eröffnung und Grußwort

Birgit Aschmann (Berlin) und Christian Waldhoff (Berlin): Grußwort und Einführung

I. Die Verfassung im historisch-politischen Kontext

Birgit Aschmann (Berlin): Die Verfassung von 1978 in der spanischen (Verfassungs-)Geschichte – eine Einordnung

Alejandro Saiz Arnaiz (Barcelona): Die Transición in Spanien und das Ringen um eine neue Verfassung

Hans-Peter Schneider (Hannover): Persönliche Einblicke in den konstituierenden Verfassungsprozess

Andreu Mayayo (Barcelona): Kommentar

II. Die Verfassungsentstehung im europäischen Vergleich

Christian Waldhoff (Berlin): Der „constitutional moment“ oder eine Typologie, wann und wie Verfassungen entstehen

Karl-Peter Sommermann (Speyer): Die südeuropäischen Transformationsverfassungen der 1970er Jahre im Vergleich – Spanien, Portugal, Griechenland

III. Der Zusammenhang von Recht, Geschichte und Gesellschaft

Johann Christian Pielow (Bochum): Die Bedeutung der Vergangenheit für die Gestaltung der Verfassung

Xosé Manoel Núñez Seixas (Santiago de Compostela): Verfassungspatriotismus in Spanien? Die Verfassung und die spanische Gesellschaft

José Manuel Sánchez Saudinós (Madrid): Kommentar

 

Freitag, 14.12.2018

IV. Herausforderungen und Reformdebatte

Pedro Cruz Villalón (Madrid): Reformvorstellungen und Reformprojekte im Hinblick auf die spanische Verfassung

Walther L. Bernecker (Erlangen): Zur Reformbedürftigkeit der spanischen Verfassung

Jordi Canal (Paris): Kommentar

V. Verfassungsgerichtsbarkeit und Grundrechte

Luis López Guerra (Straßburg/Madrid): Grundrechtsordnung und Verfassungsgerichtsbarkeit in Spanien 

Andreas Paulus (Karlsruhe/Göttingen): Grundrechtsordnung und Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland

Itziar Gómez Fernández (Madrid): Kommentar

 

FAZ-Artikel zur Tagung

Lea Frese-Renner / Britt Schlünz, Dies selige Wunder. Spaniens Verfassung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.12.2018, S. N3. 

→ PDF

Tagungsbericht auf H-Soz-Kult

Zur Tagung ist nun auf H-Soz-Kult ein Tagungsbericht erschienen, den Lea Frese-Renner und Britt Schlünz verfasst haben: Tagungsbericht: 40 Jahre Spanische Verfassung zwischen Anpassung und Reform des Bewährten, 13.12.2018 – 14.12.2018 Berlin, in: H-Soz-Kult, 04.04.2019, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-8197>.

 

Ein Auszug:

Am 6. Dezember 1978 stimmten rund 88 Prozent der Spanier/innen in einem Referendum für ihre bis heute gültige demokratische Verfassung und besiegelten damit den Übergang von der Franco-Diktatur zur Demokratie. Die Zustimmungsrate in Katalonien lag mit 90 Prozent sogar noch höher. Nur unter den Basken war die Zurückhaltung relativ groß, fühlten sie sich doch im Verfassungsgebungsprozess nicht hinreichend repräsentiert. Diese friedliche Transition Spaniens galt international lange als Vorbild für demokratischen Wandel. [1] Doch vier Jahrzehnte später werden zum einen die damals geschlossenen gesellschaftlichen und politischen „Pakte“ kritisiert, weil sie die ehemaligen Machthaber begünstigt hätten. Zum anderen gerät auch die Verfassung selbst zunehmend in die Kritik. Immer nachdrücklicher wird eine Reform gefordert, zumal die spanische Verfassung (im Gegensatz zu den bereits mehr als sechzig Änderungen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland) wegen der hohen verfassungsrechtlichen Hürden bislang nur zwei Mal angepasst worden ist. Das 40-jährige Jubiläum der spanischen Verfassung von 1978 nahmen die Veranstalter/innen der Tagung, Birgit Aschmann und Christian Waldhoff darum zum Anlass, ihre Bedeutung aus der Perspektive der Rechts- und Geschichtswissenschaften neu in den Blick zu nehmen. Eingeladen von der Spanischen Botschaft in Berlin diskutierten deutsche und spanische Historiker/innen und Jurist/innen, um gemeinsam die Entstehung der Verfassung von 1978 zu rekonstruieren, ihren Stellenwert in der spanischen und europäischen Geschichte auszuloten und ihre Errungenschaften, Defizite sowie mögliche Reformoptionen abzuwägen.
In ihrem Einführungsvortrag verortete BIRGIT ASCHMANN (Berlin) die Verfassung von 1978 innerhalb der Geschichte des spanischen Konstitutionalismus. Dabei werde die Verfassung zumeist in die Traditionslinie der „progressiven“ Verfassungen von 1812, 1869 und 1931 gestellt, wobei vor allem die Parallelen mit letzterer unübersehbar seien. Alle ihre Vorläufer aber verband laut Aschmann das Problem ihrer geringen Akzeptanz, hätten sie doch jeweils nur die politischen Vorstellungen eines der beiden großen politischen Lager ("Konservative"/"Rechte" und "Progressive"/"Linke") zum Ausdruck gebracht. Dagegen zeichne sich die Verfassung von 1978 durch die außergewöhnliche Kompromissbereitschaft aller an der Transition beteiligten politischen und gesellschaftlichen Kräfte aus. Der Wunsch nach Konsens habe allerdings auch zu unklaren Formulierungen in der Verfassung geführt, die die Konflikte lediglich in die Zukunft verlagerten. Dies gelte in besonderer Weise für die Passagen zur territorialen Organisation des Staates, in denen unter anderem das Verhältnis von „Nation“ und „Nationalitäten“ bewusst offen gelassen wurde. [2] Die seit Beginn des 19. Jahrhunderts latenten Spannungen zwischen dem spanischen Zentralstaat und Katalonien seien dadurch aber nur vorübergehend in den Hintergrund getreten. Heute verweise die Bereitschaft katalanischer Separatisten, sich über die spanische Verfassung hinwegzusetzen, auf ein erhebliches Akzeptanzproblem der Verfassung innerhalb Kataloniens. Ob es auf dem Weg einer Verfassungsreform noch gelingen könne, die separatistisch gesonnenen Katalanen (immerhin rund die Hälfte der Bevölkerung Kataloniens) mit dem spanischen Staat zu versöhnen, sei, so Aschmann, fraglich.

 

→ Zum gesamten Tagungsbericht auf H-Soz-Kult

 

Tagungsband "Die Spanische Verfassung von 1978" (2018) erschienen

Titel 

Die Spanische Verfassung von 1978
Entstehung – Praxis – Krise?

 

Weitere Angaben

  • Herausgegeben von Birgit Aschmann und Christian Waldhoff
  • Verlag: Aschendorff Verlag
  • Reihe: Spanische Forschungen, Reihe 2
  • Bandnummer: 44
  • 255 Seiten
  • Erscheinungstermin: 01.08.2020
  • ISBN: 978-3-402-14872-3

 

→ Zur Titelinfo auf der Seite des Verlages