Profil
Die Geschichte der Frühen Neuzeit behandelt, grob gesprochen, die Zeit zwischen 1500 und 1800. Damit nimmt sie – historisch wie historiographisch – eine Scharnierposition zwischen dem Mittelalter und der Neuesten Geschichte ein.
Die Frühe Neuzeit wird am Lehrstuhl für Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit als Epoche mit eigener Dynamik und spezifischem Profil statt nur als Vorbereitung der Moderne verstanden. Aus dieser Perspektive bietet der Blick in die Frühe Neuzeit einen verfremdenden Kontrast zu modernen Selbstverständlichkeiten: etwa im Hinblick auf politische Strukturen, religiöse Praktiken oder gesellschaftliche Normen. Doch ist die Frühe Neuzeit nicht nur „fremd“, sondern gleichzeitig auch „vertraut“: wegen ihrer Transformationsdynamik im Allgemeinen ebenso wie wegen ihrer spezifischen Modernisierungspotenziale. Auf der einen Seite durch eine geradezu exemplarisch traditionale Gesellschaftsform charakterisiert, zeichnet sich die Frühe Neuzeit auf der anderen Seite durch vielfältige Prozesse lang- und kurzfristigen gesellschaftlichen Wandels aus, etwa im Hinblick auf das Transformationspotenzial von Religion und die langanhaltenden konfessionskulturellen Prägungen oder auf politik-, verwaltungs- und diplomatiehistorische Formalisierungstrends. Die Zäsuren 1500 und 1800 werden dabei flexibel gehandhabt und dienen – verstanden als kulturell etablierte Deutungsmuster – auch dazu, das Vormoderne wie das Moderne der Frühen Neuzeit zu reflektieren.
Die moderne Welt der Nationalstaaten ist insgesamt ein Resultat frühneuzeitlicher Wandlungs- und Formationsprozesse, aber keineswegs zwangsläufiges oder gar notwendiges Ziel der Entwicklungen in dieser Epoche. Auch aus diesem Grund ist die Frühe Neuzeit nur in europäischer – und gegebenenfalls sogar globaler – Perspektive zu erforschen. Diese europäische Perspektive muss erstens, dies ist trivial und doch immer noch nicht selbstverständlich, neben der Geschichte des Alten Reichs und seiner Territorien auch andere europäische Länder einbeziehen.
Dies ist umso wichtiger, als das Spannungsverhältnis zwischen Prozessen der „Europäisierung“ sowie „Globalisierung“ einerseits und solchen der Territorialisierung sowie Nationalisierung andererseits charakteristisch für die Frühe Neuzeit sind. Eine europäische Geschichte der Frühen Neuzeit wird also durchaus auch nationale oder territoriale Probleme separat behandeln dürfen, muss sie aber reflexiv auf die europäische Dimension beziehen. Auch wird sie die globalgeschichtliche Ebene mitreflektieren müssen: Globalgeschichte und europäische Geschichte stehen nicht im Widerspruch, sondern sind komplementäre Zugänge – auch weil sich in der Frühen Neuzeit „Europa“ als Vorstellung und Handlungsraum erst herausbildete.
Von diesen Prämissen ausgehend, versteht sich der Lehrstuhl für Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit als Ort einer europäisch orientierten, unter anderem auf politik-, religions- und ideengeschichtliche Themen zielenden Frühneuzeitforschung. Wir sind dabei der traditionellen Theorieaffinität und Methodenvielfalt der Frühneuzeitforschung ebenso wie der kritischen Reflexion der vielfältigen und reichen historiographischen Traditionen verschiedener europäischer Länder verpflichtet.