Martin Holler
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Forschung
Dissertation/Forschungsprojekt: "Sowjetische Nationalitätenpolitik am Beispiel der Roma 1923-1939"
Die sowjetische Nationalitätenpolitik hat in den letzten Jahren eine eindrucksvolle Neubewertung erfahren. Auch über die Geschichte einzelner Völker liegen neue Einsichten vor. Die Geschichte der Roma in der Sowjetunion harrt indes bisher ihrer ausführlichen wissenschaftlichen Erforschung. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die auffallende Kluft zwischen der Anerkennung und Förderung der Roma-Kultur in den 20er Jahren und der Aberkennung der kulturellen und ethnischen Selbstständigkeit Mitte der 30er Jahre, die in den folgenden Jahrzehnten eine zunehmend repressive Politik zur Folge hatte.
Anhand von Archivrecherchen werden Auseinandersetzungen untersucht, die es innerhalb der sowjetischen Institutionen von Partei und Staat über den Status der Roma gegeben hat. Grundlegend für die offiziellen Verlautbarungen ist eine ideologische Reibung, die der Widerspruch zwischen der Anerkennung der Roma als „Volk“ im ethnischen Sinne mit der sozialen Stigmatisierung als „Parasiten der Völker“ und „Schädlinge beim Aufbau des Sozialismus“ verursacht. Aber auch innerhalb der Roma gab es sich ausschließende Positionen. Die Interna der kurzlebigen „Allrussischen Zigeunerunion“ etwa geben Aufschluss über die unterschiedlichen Reaktionen ländlicher Roma auf die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft.
Die Untersuchung der Geschichte der Roma in der Sowjetunion eröffnet eine neue Perspektive auf die sowjetische Nationalitätenpolitik im Ganzen. Die Untersuchung der „Zigeunerpolitik“ steht dabei einerseits stellvertretend für das Schicksal weiterer sog. „kleiner Völker“ bzw. Minoritäten in der Sowjetunion; andererseits nehmen die Roma als eine in nahezu allen Unionsrepubliken anzutreffende ethnische Minderheit eine Sonderstellung ein. Das gilt auch für das Bild, welches sich die Bolschewiki von „den Zigeunern“ machten. Da dieses Bild nicht in einem luftleeren Raum entstanden ist, ist ferner nach den Wurzeln dieser Vorstellungen zu suchen, wobei Quellen aus ethnographischen Werken, aber auch aus populären Bereichen wie Belletristik und Spielfilm berücksichtigt werden.