Stellungnahme zur Diskussionskultur am IfG
Intensive Streitigkeiten um Prof. Dr. Jörg Baberowski, Lehrstuhlinhaber für die Geschichte Osteuropas, hinsichtlich seiner Lehre und seiner öffentlichen Aussagen währen am IfG und darüber hinaus nun schon seit über drei Jahren. Insbesondere ausgetragen werden diese zwischen ihm und der Jugendorganisation der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP), der IYSSE.
Im Februar 2014 wurde Robert Service von Jörg Baberowski in dessen Kolloquium eingeladen, um über seine Trotzki-Biografie zu diskutieren.Daraufhin kam es von Seiten der IYSSE und der SGP zu großen Protesten.
In den folgenden Jahren erneuerte und intensivierte sich der Protest der IYSSE gegen Jörg Baberowski aufgrund seiner neuesten Monographie „Räume der Gewalt“, seiner häufigen Medienauftritte und Äußerungen zur Flüchtlingsdebatte und zur deutschen Innenpolitik.
Als jüngster„Höhepunkt“ dieses Streites kam es an der Universität Bremen im Oktober 2016 zu Protestaktionen des Bremer AStA gegen einen geplanten Auftritt von Jörg Baberowski. In seinen Flyern hatte sich der AStA Bremen scharf gegen den Osteuropaforscher ausgesprochen und die Kritik mit zum Teil denselben Zitaten wie die IYSSE zu belegen versucht. Gegen die Vorwürfe des AStA Bremen hat Jörg Baberowski inzwischen Rechtsmittel eingelegt.
Zu keiner Zeit in diesen drei Jahren ist es zwischen beiden Parteien zu einem ernstzunehmenden Meinungsaustausch gekommen, oder wurden von irgendeiner Seite glaubhafte Versuche unternommen, diesen Streit zu lösen.
Dem muss hinzugefügt werden, dass weder das Institut noch die Fachschaftsinitative Geschichte sonderlich viel von ihren Möglichkeiten Gebrauch gemacht haben, als Mediator schlichtend in diesen Streit einzugreifen.
Darüber hinaus hat unser Plenum jüngst eine Stellungnahme zu der Klage Jörg Baberowskis gegen die Bremer Studierendenschaft verabschiedet, deren Inhalt wir im Nachhinein sehr bedauern, da sie sich zu undifferenziert gegen Jörg Baberowskis juristisches Vorgehen in einem allzu komplexen Streit stellte.
Somit ist auch die FSI nicht unschuldig daran, dass dieser jahrelange Konflikt immer noch so weit von einer Schlichtung entfernt ist wie am ersten Tag.
Wir als Fachschaftsinitative Geschichte bedauern dies sehr und sehen auch uns hier in der Verantwortung.
Unabhängig davon, ob man die vorgebrachten Meinungen oder Ansichten des jeweils anderen teilt, sollte gerade an Universitäten der Raum geboten werden, diese formulieren zu dürfen. Von diesem Recht Gebrauch zu machen bedeutet aber auch, sich mit etwaiger Widerrede und Kritik auseinander setzen zu müssen, so diese angebracht und berechtigt ist.
Die FSI ist daher besonders bestürzt über das Maß an Aggressivität und Feindseligkeit, mit dem sich die jeweiligen Parteien inzwischen bekriegen.
Die jüngst von beiden Seiten geäußerten Vorwürfe sind allesamt weit unterhalb des für eine Universität üblichen Niveaus, wo Diskussionen durch begründete Argumente und nicht Beschimpfungen geführt werden sollten.
Die FSI lehnt das allgemeine Niveau dieser Debatte ab; wir sehen auch keinen Sinn darin, uns an der Beantwortung der Frage, wer denn nun angefangen habe und wer noch niveauloser als der andere sei, zu beteiligen.
Als Fachschaftsinitiative verstehen wir uns als Anlaufstelle und Versammlungspunkt für Student*innen mit unterschiedlichsten Hintergründen. Die Möglichkeit zur offenen und fairen Diskussion und gegenseitiger Respekt sind die Hauptbedingungen für das Funktionieren unseres Plenums und unserer gesamten Arbeit. Wir sehen es daher mit großer Sorge, dass in diesem sich zusehends verschärfenden Streit nun auch Teile der Studierendenschaft ins Kreuzfeuer geraten sind.
Weiterhin fordern wir alle Parteien dazu, auf ihren Beitrag zu leisten, um den immer weiter fortschreitenden, frustrierenden Abwärtstrend der Streitkultur am IfG aber auch der Humboldt-Universität im Allgemeinen aufzuhalten und von Beleidigungen und Unterstellungen jeder Art Abstand zunehmen.
Im Angesicht dieser Ereignisse bekennen wir uns erneut zu den Werten von wissenschaftlicher Freiheit und Transparenz und stellen uns hinter das Institut für Geschichtswissenschaften.
Wie wir schon an früherer Stelle geschrieben haben, lebt die Universität „von einer Vielfalt an Perspektiven. ‚Denken lernen‘ heißt nicht nur, den Gedanken Anderer zuzustimmen, sondern sich auch an ihnen zu reiben,Gegenpositionen auszuprobieren, Traditionen und Konventionen zu hinterfragen und gegebenenfalls mit ihnen zu brechen. An Universitäten soll Bildung stattfinden und Bildung ist ohne ihre kritisch reflexive Komponente undenkbar.“
Wir sind uns als Fachschaftsinitiative bewusst, dass wir in Sachen Deeskalation und Mediation in diesem Streit bislang sicher nicht genug und in manchen Fällen sogar das Falsche unternommen haben. Dennoch wollen wir uns stärker als bisher bemühen, unserem Anspruch als Verbindungsglied und Kommunikator der Studierenden untereinander, sowie der Studierenden und der Mitarbeiter*innen des Instituts für Geschichtswissenschaften nachzukommen.
Dabei wollen wir uns auch unter den Studierenden für eine faire Streitkultur einsetzen.
FSI Geschichte
Berlin, 06.03.2017