Humboldt-Universität zu Berlin - Forschung und Projekte

23. April 2003 Auftaktveranstaltung - Vertreibung von Studierenden nach 1933

gruppe_k33.jpgAm Beginn der Ringvorlesung steht ein für die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der Berliner Universität besonderes Thema: die Vertreibung von Studierenden nach 1933. Lange Zeit war weitgehend vergessen worden, dass der Machtantritt der Nationalsozialisten nicht nur für viele Dozenten und berühmte Professoren ein Ende ihrer akademischen Laufbahn bedeutete, sondern auch für eine große Zahl Studierender - weit über zweitausend junge Frauen und Männer mussten ihr Studium in Berlin abbrechen, die meisten von ihnen wenig später aus Deutschland fliehen. An das Schicksal dieser "Kommilitonen von 1933" zu erinnern ist der Humboldt-Universität ein besonderes Anliegen geworden.

Im Oktober 2001 wurden erstmals in Deutschland einige wenige heute noch ausfindig zu machende vertriebene Studierende an ihre ehemalige Alma mater nach Berlin eingeladen. Im Anschluss an ihren Besuch entstand eine von Studierenden der Humboldt-Universität erarbeitete Ausstellung über die Situation der Studenten 1933, deren Inhalte in der Auftaktveranstaltung zur Ringvorlesung neu präsentiert werden. Als Hauptredner des Abends wird dann Herr Dr. Hans Keilson, Psychoanalytiker und Schriftsteller aus den Niederlanden, über die Erfahrung der nationalsozialistischen Verfolgung sprechen.

Keilson1.jpgHans Keilson, geboren 1909 in Bad Freienwalde, war 1933 Medizinstudent an der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Im selben Jahr veröffentlichte er bereits seinen ersten Roman "Das Leben geht weiter" - es war das letzte Debüt eines jüdischen Autors im alten S. Fischer Verlag. Nachdem 1934 über ihn ein Publikationsverbot verhängt und ihm die Ausübung seines Berufes als Mediziner verboten wurde, arbeitete er zunächst in Berlin weiter an verschiedenen jüdischen Institutionen als Sportlehrer und Erzieher. Nach den Nürnberger Gesetzen floh er 1936 dann gemeinsam mit seiner Frau Gertrud Manz in die Niederlande, wo er sich dem Widerstand anschloss und den Krieg und die nationalsozialistische Judenverfolgung überlebte.

Nach dem Krieg veröffentliche Hans Keilson mehrere literarische Werke über die Erfahrung der Verfolgung ("Komödie in Moll", Erzählung 1947; "Der Tod des Widersachers", Roman 1959) und begründete mit anderen Überlebenden die Hilfsorganisation "Le Ezrat Ha Jeled" ("Zur Hilfe des Kindes") für die Betreuung jüdischer Waisenkinder, Hinterbliebene des Holocaust. Aus dieser therapeutischen Arbeit, auch an der kinderpsychiatrischen Universitätsklinik in Amsterdam, ging als wissenschaftliches Hauptwerk eine psychologische Studie über die "Sequentielle Traumatisierung bei Kindern" (1979) hervor. Unter den zahlreichen weiteren Schriften Hans Keilsons sind insbesondere sein Gedichtband "Sprachwurzellos" (1963), sowie die vielfältigen, in dem Band "Wohin die Sprache nicht reicht" (1998) zusammengefassten Essays zu nennen.

Hans Keilson, der Präsident des "Exil-PEN" war, Träger des Bundesverdienstkreuzes ist und in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung gewählt wurde, lebt heute in Bussum bei Amsterdam.

 

Weitere Informationen:
  • Birgit R. Erdle, Art. Hans Keilson, in: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, Bd. 5, hrsg. von Heinz Ludwig Arnold, München: Ed. text + kritik 1978 sq.

  • Das Projekt "Kommilitonen von 1933"

  • Auswahlbibliographie zur Geschichte der Humboldt-Universität in der NS-Zeit