Humboldt-Universität zu Berlin - Forschung und Projekte

21. April 2004 Von Fleiß und Sachverstand - Studentinnen und Akademikerinnen an der Berliner Universität im Nationalsozialismus

Referentinnen: Levke Harders, M.A., und Dr. Annette Vogt

 

Die nationalsozialistische Hochschulpolitik veränderte die Lage von Studentinnen und Akademikerinnen erheblich. Zuerst erschwerten rechtliche Bestimmungen ab 1933 den Zugang zur Universität, insbesondere für weibliche und jüdische Studierende. Bei den Lehrkräften verschlechterte sich die Situation für Frauen ab Frühjahr 1933 auf Grund des sogen. “Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums”. In Berlin wurde ein Drittel der Hochschullehrerschaft entlassen, von den Privatdozentinnen sogar acht der vierzehn.
Die Studentinnen jüdischer Herkunft waren von der NS-Hochschulpolitik besonders betroffen. Diejenigen, die schon vor 1933 ihre Promotion begonnen hatten, bemühten sich, das Verfahren so schnell wie möglich abzuschließen, oft mit Unterstützung ihrer Doktorväter. Jüdische Akademikerinnen hatten kaum noch Berufsaussichten. Die älteren unter ihnen blieben meist in Deutschland - und gingen damit in den Tod. Jüngere Nachwuchswissenschaftlerinnen wählten häufiger den Weg ins Exil.

Die NS-Zeit hatte rechtliche und inhaltliche Auswirkungen auf den Universitätsalltag. Während 'nichtarische’ und politisch unliebsame Studierende aus der Universität vertrieben wurden, behandelten politisch engagierte Promovendinnen gezielt NS-Themen und bemühten sich um die Verknüpfung von Wissenschaft und Politik. In den Akten der Philosophischen Fakultät finden sich zudem viele Hinweise auf die ideologischen Debatten, die an der Universität ausgetragen wurden.
Universitätsabsolventinnen sahen sich mit vielfältigen Hindernissen konfrontiert: Die Ausbildung war teuer, die Berufschancen schlecht, nur wenige Professoren förderten Studentinnen, die NS-Ideologie propagierte die glückliche Mutter am Herd. Innerhalb dieses engen Rahmens bemühten sich die Promovendinnen darum, ihre Zugangschancen zu akademischen Berufen zu verbessern. Wichtig hierbei waren der familiäre Hintergrund, Berufserfahrungen, Themen und Gutachterwahl sowie - mitunter - politisches Engagement.

1936 erfolgten Veränderungen der Fakultäts-Struktur. Die Philosophische Fakultät wurde geteilt, und es entstanden aus ihr die Philosophische, die Mathematisch-Naturwissenschaftliche und - durch Verbindung mit der Juristischen - die Staats- und Rechtswissenschaftliche Fakultät.

Frauen an der Philosophischen Fakultät:

In den geisteswissenschaftlichen Fächern stieg der Anteil der Promovendinnen nach 1933 stetig, während er in den zwanziger Jahren bei etwa 10% gelegen hatte. Trotzdem waren und blieben die Berufssaussichten für Geisteswissenschaftlerinnen gering. Arbeitsmöglichkeiten in Universitäten, Forschungseinrichtungen, im höheren Bibliotheksdienst, im Journalismus oder Verlagswesen gab es kaum. Viele Absolventinnen gingen daher in den Lehrberuf. Nach 1933 kamen Möglichkeiten in NS-Organisationen hinzu.

Für eine Universitätslaufbahn stellte die Promotion nur den ersten Schritt dar, auf den die Habilitation folgen musste. Von den zwischen 1936 und 1945 abgeschlossenen 88 Habilitationen in den Geisteswissenschaften an der Berliner Universität waren nur vier von Frauen. Hatte es vor 1933 zumindest einige wenige Frauen im Lehrkörper der Universität gegeben, gab es 1940 im Bereich der Geisteswissenschaften keine Professorin und nur je zwei Dozentinnen und Assistentinnen.

Neben der Universität war die Preußische Akademie der Wissenschaften die wichtigste Institution, die Geisteswissenschaftlerinnen beschäftigte, und wo diese leichter Zugang zu Stellen erhielten als an Universitäten. Zwar blieben ihre Karrierechancen auch hier eingeschränkt, aber relativ viele Frauen, die vor 1945 an der Akademie eingestellt wurden, behielten ihre Stelle nach Kriegsende oder wechselten auf vergleichbare Posten innerhalb der ostdeutschen Akademielandschaft.

Frauen an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät

Die Zahl der Promovendinnen in den naturwissenschaftlichen Fächern ging seit 1933 zurück. Nun wurden Physik und Chemie weit weniger gewählt als Biologie, was vor allem an den seit 1933 schlechteren Berufschancen lag.

Arbeitsmöglichkeiten boten neben dem Lehrberuf verschiedene Laboratorien und einige Institute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die Naturwissenschaftlerinnen bessere Einstiegs- und Aufstiegschancen boten als die Universität.
An der Universität wurden ab 1938 wieder Assistentinnen eingestellt. Erst wieder 1939 und 1943 habilitierten zwei Wissenschaftlerinnen in Chemie, die beide an je einem Kaiser-Wilhelm-Institut (Erika Cremer am KWI für Physik und Luise Holzapfel am KWI für Silikatforschung) beschäftigt waren.

Zwischen Anpassung (Prof. Lotte Möller) und Verweigerung (Prof. Elisabeth Schiemann) reichten die Spielräume der Wissenschaftlerinnen, die an der Universität tätig waren. Elisabeth Schiemann wurde 1939 vom NS-Dozentenführer und vom Dekan der Math.-Nat. Fakultät denunziert und verlor daraufhin 1940 nicht nur ihre a.o. Professur sondern auch die venia legendi. Ihre Berufung als Professorin an die 1946 wiedereröffnete Berliner Universität empfand sie zu Recht als Rehabilitierung. Luise Holzapfel und Elisabeth Schiemann verließen jedoch bald die Berliner Universität und lehrten nun an der TU bzw. FU Berlin.